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I wie Interviews
07.09.2020

Persönliches Interview: Don't oversell!

Kandidaten begehen an dieser Stelle oft den Fehler, dass sie zu einem Stichwort einfach alles herunterrasseln, was von Belang sein könnte. Sie ufern aus, verlieren sich in Details, nach denen keiner gefragt hat. Sie betreiben ein sogenanntes «Overselling».

03.04.2019

Persönliches Interview: Don't oversell!

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Ein Vorstellungsgespräch dient nicht dazu, den höchstqualifizierten Kandidaten zu finden. Es müssen auch andere Kriterien erfüllt sein.

Was mir als Junior Recruiter einst die Schamröte ins Gesicht trieb, ruft mittlerweile nur noch ein mitleidiges Lächeln hervor: Man möchte sich im Verlauf eines Interviews über Details der Fachkompetenzen erkundigen und der Kandidat entgegnet: «Ja, haben Sie denn meinen Lebenslauf nicht gelesen?!» - Paff! Was für eine arrogante, dumme Antwort. Damit kann man sich viel verpatzen.

So vergeben sich Kandidaten ihre Chance

Dabei hätte der Kandidat bereits zu Beginn des Gespräches die Chance, seine Kenntnisse situativ ins rechte Licht zu rücken. Denn nach dem Warm up und anfänglichen Austausch von Nettigkeiten bittet man ihn im klassischen Interview-Verlauf häufig darum, seinen Werdegang zusammenzufassen. Das erlaubt mir als Recruiter erste, gezielte Zwischenfragen zu platzieren. Häufig achte ich auch nur still darauf, ob der Kandidat in der Lage ist, einen guten Überblick zu geben oder ob er an irgendeinem Punkt hängenbleibt.

Dabei geht es mir um die Passgenauigkeit des Profils: Als Recruiter weiss ich, was der Linienleiter oder sein Kunde sich vorstellt. Ich wurde auf Details bei den technischen Fähigkeiten und der Persönlichkeit gebrieft. Im Interview erwarte ich also eine Präzisierung der gesuchten Fähigkeiten. Ich möchte vom Kandidaten mehr über seine Kenntnistiefe erfahren: Zeigt er Gespür dafür, welche Elemente seiner Kenntnisse er in den neuen Job einbringen kann?

«Overselling» wirkt verzweifelt

Kandidaten begehen an dieser Stelle oft den Fehler, dass sie zu einem Stichwort einfach alles herunterrasseln, was von Belang sein könnte. Sie ufern aus, verlieren sich in Details, nach denen keiner gefragt hat. Sie betreiben ein sogenanntes «Overselling». Das wirkt leicht verzweifelt. Es langweilt auch, weil sich der Redefluss kaum noch stoppen lässt. Ein solches Verhalten spricht leider gegen den Bewerber, ganz unabhängig davon, was er gerade erzählt.

Maximale Schnittmenge ist ausschlaggebend

Es geht nämlich nicht darum, den höchstqualifizierten Kandidaten zu finden. Nein, wir Recruiter suchen für unsere Kunden nach der maximalen Schnittmenge. Achtung: Diese entspricht nicht den maximalen Kenntnissen des Kandidaten über ein Themengebiet. Sie vereint vielmehr verschiedene Kriterien, die über einzelne Qualifikationen hinausgehen.

Daher empfehle ich Kandidaten, die folgenden Regeln zu beachten. So finden Sie den goldenen Mittelweg zwischen Unterverkauf und Overselling:

  • Regel 1: Passgenauigkeit prüfen
    Befassen Sie sich im Vorfeld intensiv mit der Stellenbeschreibung und der Firma. Machen Sie sich Gedanken, was Sie in diese Rolle einbringen können und was Sie noch lernen möchten. Sie werden sich nicht auf eine Stelle bewerben, die Sie schon in- und auswendig kennen. Deshalb werden Sie auch nie hundertprozentig auf das Profil passen. Die Passgenauigkeit sollte aber bei über fünfzig Prozent liegen. Ab dann haben Sie eine veritable Chance. Der Rest liegt bei Ihnen selbst.
  • Regel 2: Über den Tellerrand hinaus denken
    Schälen Sie im Gespräch während der Freestyle-Phase optimal heraus, in welchen Punkten Ihre Ausbildung und Erfahrung mit dem gesuchten Profil übereinstimmt. Sprechen Sie dafür im Vorfeld mit Kollegen und Freunden. Manchmal hilft ein Blick von aussen, die bestmöglichste Übereinstimmung mit dem Suchprofil zu erkennen. Brechen Sie dabei gedanklich aus Ihrer Arbeitsumgebung aus, lassen Sie sich auch auf eine andere Branche oder eine andere Abteilung ein.
  • Regel 3: Proaktiv nach der Schnittmenge suchen
    Glauben Sie nicht, dass der Interviewpartner Ihnen die entsprechende Schnittmenge mit dem Leuchtstift markiert. Sie sind derjenige, der Schritt für Schritt zwischen aktueller Rolle und gesuchter Herausforderung optimal vermitteln muss - der Ball liegt bei Ihnen. Die passende Schnittmenge sollte im Idealfall geradezu unübersehbar für ihr Gegenüber sein.
  • Regel 4: Zuhören, nachhaken, vertiefen
    Wenn Sie gut und aktiv zuhören, erkennen Sie besser, in welche Richtung die Interviewpartner steuern und wie Sie reagieren sollten. Achten Sie darauf, wo Sie angehalten sind, noch weitere Details zum Bild beizusteuern und wo Ausführungen Sinn machen.
  • Regel 5: Persönlichkeit zeigen
    Nutzen Sie die Chance, Ihre Kenntnisse trotz nicht perfekter Passgenauigkeit im rechten Licht erscheinen zu lassen. Es ist in Ihrem allereigensten Interesse, den Arbeitgeber oder Recruiter in der knifflige Suche nach der perfekten Schnittmenge zu unterstützen. Letzten Endes ist es ohnehin die Persönlichkeit des Kandidaten, die entscheidend ist: Weitsichtige Arbeitgeber entscheiden sich für eine Person mit ihrem Rucksack an Fachkenntnissen und Erfahrungen - und nicht für die Fachkenntnisse mit irgendeiner Person im Rucksack.